Es ist zehn Uhr am Ostermontag in Traunstein. Auf dem Stadtplatz, zu Füßen der Pfarrkirche, hat sich eine große Menschenmenge gebildet. Aus allen Richtungen treffen Reiter in historischen Kostümen ein. Knapp 400 prächtig geschmückte Pferde werden es schließlich sein, die dem Herold beim Traunsteiner Georgi-Ritt zur kleinen Ettendorfer Kirche folgen, die auf einem Hügel hoch über der Stadt liegt.
So war es im vergangenen Jahr. Und in den Jahren zuvor. Diesmal wird kein Reiter das Zentrum der kleinen Stadt im Chiemgau ansteuern. Die Corona-Pandemie beschert auch diesem jahrhundertealten Osterbrauch eine Zwangspause. Den Teilnehmern und Zuschauern bleibt in diesem Jahr nur die Erinnerung an 2019 – und die Vorfreude auf das kommende Jahr. Dann soll der Brauch wieder stattfinden.
Albert Schmied ist Vorsitzender des St.-Georgs-Vereins, der den Ritt organisiert. Und er ist Herold. Ihm folgen bei dem Zug bedeutende Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte: der Lindl und der Eiserne Ritter, beide in Rüstungen. Sie symbolisieren die Wehrhaftigkeit der Stadt im Mittelalter. Römische Reiter sind ebenso dabei wie Landsknechte und höfische Damen. Natürlich hat auch der heilige Georg seinen Auftritt, der als Schutzpatron der Tiere gilt.
Der älteste Nachweis des Traunsteiner Ritts stammt aus dem Jahr 1762. Seit 2016 steht er im bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. „Dass wir den Titel erhalten haben, liegt auch daran, dass im Laufe der Zeit nichts verkitscht wurde“, meint der Vorsitzende des rund 600 Mitglieder starken Georgi-Vereins. Bitten örtlicher Brauereien, Bierstände aufstellen zu dürfen, lehnt der Verein ab. „Der Wallfahrts-charakter soll bewahrt werden“, begründet Schmied.
Über sieben Kilometer verläuft die Prozession. Drei Hügel müssen von den Pferden gemeistert werden. Nicht einfach, wenn man auch noch Kutschen voller Musikanten ziehen muss. Trotz der Anstrengungen und trotz der nicht leisen Musik: Die Pferde blieben gelassen, versichert Schmied. „Es sind Kaltblüter.“
Famoses Alpen-Panorama
Den Anstieg zur Ettendorfer Kirche belohnt das famose Panorama der nahen Chiemgauer Alpen. Die Schaulustigen, die es sich auf Decken bequem machen, sehen einen farbenfrohen Zug vorbeiziehen, in dem gebetet, gesungen und musiziert wird. Die Dörfer der Umgebung sind mit eigenen Abordnungen in Tracht vertreten. Man erkennt sie an den stolz gezeigten Standarten mit dem Gemeindewappen.